Ein junger Student begibt sich zur Straßenbahnstation. Er möchte aus der Stadt heraus und ein wenig am Stadtrand spazieren gehen, um auf neue Gedanken zu kommen. Die Straßenbahn zeigt Verspätung an. Da gerade gestreikt wird, ist er sich sowieso nicht sicher, ob überhaupt eine Straßenbahn kommt. Aufgrund der längeren Wartezeit entscheidet sich der Student, noch eine zu rauchen. Er öffnet die Packung Papes und stellt fest, dass sie leer ist. Er rollt mit den Augen und denkt sich, ob heute überhaupt irgendetwas richtig laufen kann. Er fragt einen Mann mittleren Alters neben ihm nach einem Papier, und dieser antwortet: „Ich habe nur Kompakte, aber Sie können gerne eine Zigarette haben. Ich rauche mit Ihnen eine. Die Straßenbahn braucht sowieso noch länger. Vor 10 Minuten hieß es, dass sie in 5 Minuten kommen sollte. Das ist doch wirklich absurd! Ich möchte doch einfach nur zur Spätschicht und meinen Nachmittag mit Arbeiten verschwenden, damit ich weiter existieren kann.“ Der Student ist erfreut über die Zigarette und wird nachdenklich. „Beziehen Sie sich dabei auf die Philosophie von Albert Camus über die Absurdität des Lebens? Dass der Mensch, weil er die Fähigkeit hat zu denken und einen Verstand besitzt, auch gleichermaßen dazu verdammt ist, dem Leben einen Sinn zu geben?“ „Die Philosophie von wem?“, fragt der Mann. „Du redest da etwas daher, aber wenn ich mir das so anhöre, dann meine ich schon so etwas in die Richtung.“
Eine junge Frau setzt sich dazu und beteiligt sich am Gespräch: „Hat nicht Albert Camus das mit Sisyphus in seiner Arbeit ‚Le mythe de Sisyphe‘ beschrieben?“ Beide sind erstaunt, und der Student sagt: „Exakt! Albert Camus war dafür bekannt, sich mit der Absurdität des Lebens zu beschäftigen. Und bei Ihnen, alter Mann, ist das gerade nicht anders. Sie philosophieren gerade über die Absurdität Ihres Arbeitslebens.“
„Hat dieser Camus auch eine Antwort auf diese Frage?“, fragt der Mann. „Und nenn mich nicht alt. Es ist doch wirklich absurd, dass dieser Streik der Auslöser für diese Unterhaltung ist und dass es überhaupt keinen Sinn macht zu arbeiten. Ich würde viel lieber den Tag genießen!“
Der Student antwortet: „Allein, dass Sie den Sinn in der Arbeit suchen, verleiht Ihrem Leben auch einen Sinn! Es ist bestimmt nicht immer schön, einen 9-to-5-Job zu haben. Und dennoch können Sie das Beste daraus machen. Wir arbeiten, schlafen und leben jeweils zu einem Drittel unseres Lebens. Dann genießen Sie das Drittel Ihrer freien Zeit, als wäre es die ganze Zeit! Gehen Sie raus, rauchen Sie, trinken Sie etwas, verbringen Sie Zeit mit Freunden, Ihrem oder Ihrer Geliebten, der Familie, und philosophieren Sie so viel es Ihnen Spaß macht. Wenn Sie das genießen können, ja, dann haben Sie den Sinn gefunden!“
Die junge Frau ist genauso erfreut wie der Mann und sagt: „Also, ich beschäftige mich gerne in meiner freien Zeit mit Philosophie. Das ist wie ein Blick hinter den Vorhang des Lebens!“
Der Mann hat seine Zigarette zu Ende geraucht und antwortet: „Du hast vollkommen recht, du Student! Wisst ihr beide was? Ich rufe jetzt meinen Chef an und sage, dass ich heute nicht zur Arbeit komme. Die Straßenbahn kommt ja sowieso nicht mehr heute, weder jetzt noch sonst irgendwann. Mir ist die Zeit zu schade. Ich lege mich jetzt in den Park und genieße den Tag!“
„Das klingt doch nach einem guten Plan“, sagt der Student. „Carpe Diem“, sagt die Frau, und alle lachen. Daraufhin trennen sich ihre Wege, und der Student beginnt seinen Heimweg. Auf dem Weg in seine Wohnung denkt er sich: Ich habe es zwar nicht zum Spazieren an den Stadtrand geschafft, aber ich bin auf jeden Fall auf andere Gedanken gekommen. Ziel erreicht dank der Absurdität!
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